Hallo! Hier ist also mein zweiter Blogbeitrag.
Natürlich muss ich auch noch etwas über das Leben mit dem Turner-Syndrom selbst erzählen.
Fangen wir mal am Anfang an…
Wenn ich mich so zurückerinnere, war meine Kindheit trotz Turner-Syndrom auch nicht anders als die von anderen Kindern in den 90‘ern. Meinen Eltern fiel nur irgendwann auf, dass ich sehr klein war. Sie erwähnten das auch beim Arzt ab und zu mal, und natürlich wurde ich wie alle anderen Kinder regelmäßig untersucht, aber da meine Mutter mit ihren 1,54 m. auch nicht gerade eine Riesin ist, sagte sie immer: „Na ja, ich bin ja auch nicht groß, also ist es normal, dass sie auch klein ist.“ Man sah mir ansonsten nicht an, dass ich einen Chromosomenfehler hatte. Niemand wusste davon. Auch kein Arzt kam darauf.
Sport und Bewegung habe ich als Kind nicht sehr gemocht, auch wenn ich schon ein kleiner Wirbelwind war. Mit Gymnastik und Turnen konnte ich mich später allerdings schon anfreunden, und meinen Eltern ist auch sehr wichtig gewesen, dass ich mich sportlich betätige und etwas für meinen Körper tue. Damals habe ich das noch nicht verstanden, aber heutzutage bin ich ihnen sehr dankbar dafür! Und im Kampsport habe ich als Jugendliche auch so etwas wie mein „sportliches Zuhause“ gefunden.
Ich habe einmal in einer Infobroschüre gelesen, mit dem gedrungenen Körperbau und den gesundheitlichen Problemen seien Turner-Frauen nicht gerade Ballerinas, die Pirouetten drehen. Das kann man so nicht stehen lassen! Einige von uns begeistern sich für Sport, auch für Tanz, und das ist auch von der Kindheit an wichtig für uns, da wir ohnehin schon ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Übergewicht und Herzprobleme haben.
Als ich vier Jahre alt war, gab es dann für uns einen ersten Schock: Unser Hausarzt schickte uns in die Gießener Kinderklinik, da er alarmierende Herztöne bei mir gehört hatte.
Tatsächlich musste ich dann in der Kinderklinik in Gießen auch zweimal am Herz operiert werden. Es war eine schwierige Zeit und eine Zerreißprobe für uns alle, aber ich habe alles gut überstanden.
Irgendwie wurde das Gießener Krankenhaus dann schon zu einer Art zweiten Heimat für uns. Mandeln und Polypen mussten entfernt werden, ich hatte sehr oft Mittelohrentzündungen und dann auch einen Paukenerguss, sodass ich schlecht hörte und Paukenröhrchen eingesetzt werden mussten.
Auch solche Krankengeschichten kann man von Turner-Frauen oft lesen, wobei die gesundheitlichen Probleme manchmal anders gelagert sind als bei mir. Selten sind zwei Herzoperationen notwendig. manchmal kommt es eher zu Problemen mit den Knochen und Gelenken. Es ist eben jede von uns anders.
Was die Schule angeht hatte ich, abgesehen vom Sportunterricht, von dem ich wegen der Herzoperationen während der ersten beiden Schuljahre befreit war, viel Spaß am Unterricht und am Lernen, nur für Mathematik habe ich mich nie begeistern können. Deutsch und Sachkunde, vor allem die biologischen Unterrichtsanteile, haben mir am meisten Spaß gemacht. Auch Fremdsprachen fand ich faszinierend! Ich hatte das Glück, dass ich an einer Europaschule war, an der es schon zu Beginn der 90er Jahre in der Grundschule ab der zweiten Klasse Englisch gab. Für Turner-Mädchen ist das nicht ungewöhnlich, manche von uns haben schon Schwierigkeiten mit dem Schulstoff, und die hatte ich später auf dem Gymnasium auch. Die meisten von uns sind gute, interessierte Schülerinnen und oft haben wir ein Talent für Sprachen, aber nicht selten wird auch Mathe als Lieblingsfach angegeben.
Nach meinen Herzoperationen, als ich 8 Jahre alt war, wurde dann festgestellt, dass ich UTS habe. Meine Eltern, wie die meisten Menschen, kannten das natürlich nicht und wussten nicht, was es zu bedeuten hat. Der Endokrinologe und Kardiologe, bei dem ich in Behandlung war, erklärte es uns jedoch ausführlich und gut.
Meine Eltern waren schon sehr niedergeschlagen und bedrückt, als sie all das hörten. Aber für mich hatte es eigentlich keine große Bedeutung. Im Grunde genommen war ich ganz froh, endlich zu wissen, warum alles so war, wie es war.
Ich bekam dann auch ziemlich bald Wachstumshormone und musste mich mit den täglichen Spritzen anfreunden. Meine Eltern mussten sie mir jeden Abend beim Zubettgehen geben. Leicht war das nicht, es tat schon manchmal sehr weh. Viel besser wurde es, nachdem ich angefangen hatte, mir die Spritzen selbst zu geben. Ich kam mir dabei vor allen Dingen sehr mutig vor und hatte ein kleines Stück Unabhängigkeit erreicht.
Klein geblieben bin ich natürlich trotzdem, aber immerhin nicht 1,42 m sondern 1,52 m. Und ja, natürlich musste ich mich trotzdem von meinen Klassenkameraden Gartenzwerg und Schlimmeres nennen lassen. Aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen.
Für meine Kindheit hatte das Turner-Syndrom alles in Allem, außer dass ich eben wirklich ziemlich oft im Krankenhaus war, ziemlich klein war und die Wachstumshormonspritzen bekam, keine große Bedeutung. Ich kämpfte mich eben durch, spielte mit anderen Kindern auf der Straße, lernte Fahrrad fahren, hatte viel Spaß auf Familienfeiern, zappelte zu meiner Lieblingsmusik im Kinderzimmer, spielte, ging wie jeder andere zur Schule, lernte und machte später mein Abitur.
Und genau das möchte ich auch mit diesem Beitrag sagen, dass man trotz UTS und auch wenn man gerade während der Kindheit viel im Krankenhaus ist, ein ganz normales Kind ist, im Grunde genommen alles macht und erlebt was andere Kinder auch machen.
Vielen Dank fürs Lesen, vor allem weil es ein ziemlich langer Beitrag war!
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