Auch bei Turner-Frauen ist das Berufsleben oft ein Thema, gerade deshalb weil einige von uns im Beruf durchaus an Grenzen stoßen und das Gefühl haben, langsamer, weniger leistungsfähig und ungeschickter zu sein als Andere.
Nein, das heißt nicht, dass eine Karriere ausgeschlossen ist. Es gibt zum Beipiel erfolgreiche Psychologinnen und Ärztinnen unter uns, und fast jede kämpft sich auch im Beruf durch und macht ihren Weg, wenn es auch nicht immer einfach ist... Aber das ist es in der heutigen Zeit wohl für niemanden.
Mein Weg ins Berufsleben war doch recht verschlungen und verwinkelt... Nach einem abgebrochenen Referendariat als Gymnasiallehrerin und einem erfolgreich absolvierten Fachakademiestudium zur Übersetzerin und Dolmetscherin musste ich feststellen, dass es in angemessener Nähe zum Wohnort meines (damals noch zukünftigen) Mannes keine Jobs für Übersetzer gibt. Mein Mann konnte leider auch nicht umziehen. Überhaupt gibt es für Übersetzer wenig Vollzeitstellen, die meisten von uns arbeiten freiberuflich. Und naturgemäß warten Agenturen und Auftraggeber da nicht auf einen hochmotivierten Übersetzer gerade frisch von der Uni, am Anfang dauert es, bis Aufträge eintrudeln. Kurz gesagt: Ich brauchte einen Job.
Und so führten meine beiden Studiengänge mich... Direkt an einen Sortiertisch des Altkleiderverwerters am Ort. Und jetzt kommt der Moment, wo ich mich kurz fassen muss, denn über diesen Job könnte ich Romane schreiben...
Anfangs habe ich dort gearbeitet, wo der Inhalt des Altkleidercontainers so ankommt, wie er abgeholt wird. Und niemand, der nicht selbst dort am Sortiertisch gestanden hat kann sich auch nur ansatzweise vorstellen, was man darin alles findet. Deshalb habe ich manches auch fotografiert, es würde sonst keiner glauben.
Klar findet man Kleidung jeder Qualitäts- Alters- und Verwesungsstufe. Aus Großstädten sind da gerne mal eine Saison getragene Armanijeans dabei. Meistens dann allerdings in einer Größe, in die eine normale Frau wohl kaum reinpasst.
Aber das Titelbild des Beitrags ist nicht ohne Grund so, wie es ist. All das habe ich auch darin gefunden.
Man findet auch Taschen, Rucksäcke und durchaus auch mal Koffer. Schmuck und Spielzeug jeder Art. Handarbeitszubehör (besonders doof, wenn es Schneiderabfälle sind, in denen die Nadeln noch drin hängen). Familienfotos und Grußkarten, bei mir war auch mal eine Postkarte aus dem zweiten Weltkrieg dabei. Deko- und Beauty-Artikel gab es ebenfalls zuhauf, von Haarspangen bis hin zu Nagellack.
Ein riesiger Haufen Essenreste und Müll war natürlich auch dabei, weil vielleicht gerade in Großstädten die Leute einfach nicht beachten wollen, was in den Container gehört und was nicht. Man lernt eben viel über seine Mitmenschen, wenn man an einer solchen Stelle arbeitet.
Und so habe ich eben auch schon mal Elektronikschrott wie Handys oder Notebooks gefunden, oder eben das Kameraset von dem Bild oben. Ja, und auch das kleine Akkordeon. Die Liste kann im Übrigen beliebig verlängert werden, auch um Dinge, die Kinder lieber nicht lesen sollten. Genau deshalb schweige ich an dieser Stelle auch lieber und erwähne noch das für mich persönlich Schönste, was ich jemals dort gefunden habe.
Dieses kleine Schmuckstück hier:
Ja, tatsächlich, irgendwann fiel sie halb vertrocknet auf meinen Tisch. Mein Kollege sah es und sagte noch: Die musst du wässern, dann wird die wieder!
Und genau das habe ich getan. Ich rannte in der Mittagspause mit ihr zu meinem Mann, rief: "Ein Intensivpatient!!!" Er sagte: "Na du machst mir Spaß!" drehte aber den Wasserhahn auf und ein Jahr später blühte sie zum ersten Mal.
Weiterhin gibt es zu dem Job zu sagen, dass es wirklich ein Knochenjob ist. Man muss eine hohe "Kiloleistung" bringen, um vor der Geschäftsleitung zu bestehen. Na ja, die haben eben auch ihre Lieferfristen, der Laden muss ja laufen und der Geldhahn sprudeln.
Aber die Kolleginnen (meist arbeiten dort eben doch Frauen) sind eine wirklich herzliche, nette Gesellschaft. Ich habe die Zeit mit Ihnen und die Kuriositäten aus den Altkleidercontainern irgendwie wirklich genossen, auch wenn es eine harte Zeit mit einem extrem frühen Arbeitsbeginn war.
Richtig kurios wird es übrigens dann, wenn man dazu Radio hört und der Sender gerade Hörerberichte in der Rubrik "Mein Job ist ein Irrenhaus!" bringt. Ja, man möchte innerlich auch mal da anrufen und das, was man gerade gefunden hat mit den Worten: "Ich toppe alles, was ihr bisher gehört habt!" im Radio kundtun. Kennt ihr übrigens "Leichtes Gepäck" von Silbermond? War damals gerade ein Hit. Du weißt in diesem Job, wo das landet, um das jemand sein "Gepäck" erleichtert hat. Auch die "Altlasten in Tupperwaren".
Aber auch wenn ich wirklich mein Bestes gegeben habe um die geforderte Leistung zu bringen, hat es zum Schluss doch nicht gereicht und mir wurde gekündigt.
Auch bei solchen Jobs ist eine Kündigung natürlich ein Rückschlag und eine Niederlage. Aber wie sagt man: Eine Königin fällt nicht hin, steht wieder auf, richtet ihr Krönchen und macht weiter. Sie steht auf und zieht ihr Schwert. Und so habe ich zuerst eine Weiterbildung gemacht und kann mit meiner Mischung aus Freiberuflichkeit und einem festen Teilzeitjob, die ich jetzt habe, zufrieden sein.