Fast alle Turner-Frauen gehen als kleine Frauen durch die Welt. Ich auch. Meine Eltern wollten wie viele andere Eltern auch, dass ich einmal größer werde als 1,50 m, damit ich nicht als kleinwüchsig gelte und sowenig wie möglich Schwierigkeiten im Alltag habe. Idealerweise sollte ich so groß sein wie meine Mutter, die auch nur 1,54 m groß ist. 1,52 m habe ich dann geschafft. Damit bin ich also gar nicht so außergewöhnlich klein, jedenfalls habe ich mittlerweile einige völlig gesunde Frauen kennen gelernt, die auch nicht größer sind als ich.
Klar, es hat seine Nachteile, klein zu sein. Man hat es nicht leicht, sich Respekt zu verschaffen. Man wird oft gehänselt, das ist klar. Schulranzen mit Beinen war das kreativste, was ich mir anhören durfte. Und das kam von meiner Mutter und meinem Bruder.
Man kommt an hohe Schrankfächer oder Regalbretter nicht ran. Man hat es schwer, an normalen Arbeitsflächen zu arbeiten, weil diese oft zu hoch sind. Auch die Geräte im Sportunterricht machen oft Probleme, weil sie auf normal große Kinder eingestellt sind. Und als ich von zuhause ausgezogen bin in das Zimmer eines Studentenwohnheims durfte ich feststellen, dass auch Spiegel ein Problem sein können... denn im Spiegel im Bad konnte ich nicht viel mehr erkennen als meinen Haaransatz. Vom Kleidung einkaufen ganz zu schweigen... Wo bekommt man schon Hosen, die die richtige Länge haben? Mittlerweile glücklicherweise öfter, aber früher war es ein ernstes Problem.
All das sind die Gründe, weshalb sich Eltern für ihr Kind wünschen, dass es normal groß ist. Unsere Welt ist für normal große Menschen gemacht. Und man mag manchmal nicht sehen, dass es gerade für Frauen auch Vorteile haben kann, klein zu sein.
Kleine Frauen haben länger den Vorteil, den viele Kinder genießen: Wir können uns schnell in irgendwelche Ecken verziehen, in die normal große Leute nicht reinpassen, wenn es mal brenzlig wird. Und wir haben es leichter, Dinge zu reparieren oder hervorzuholen, die in den hintersten Ecken von irgenwelchen Schränken stecken.
Wir stoßen uns auch in Dachwohnungen nicht dauernd den Kopf an.
Wir werden immer deutlich weniger Rückenprobleme haben als große Frauen, einfach weil weniger Kräfte auf unsere Wirbelsäule wirken. Und sich bücken müssen ist wesentlich schädlicher für die Wirbelsäule, als sich strecken zu müssen!
Und auch die Männer werden immer kleiner: Mein Nachbar im Studentenwohnheim konnte im Spiegel auch nicht mehr sehen als ich. Und Männer mögen lieber Frauen, die etwas kleiner sind als sie selbst. Wir haben eben auch immer den "Niedlichkeitsfaktor". Im Verhältnis zur Körpergröße sehen auch unsere Haare immer länger aus, als sie tatsächlich sind, was auch ein Vorteil für das gute Aussehen sein kann. Außerdem wird man fast immer für jünger gehalten, als man tatsächlich ist (spätestens mit 30 ist das richtig klasse!).
Kleine Frauen müssen sich immer etwas mehr durchbeißen und anstrengen, um sich Gehör zu verschaffen, als Andere. Deshalb sind wir auch oft stärker als Andere und lernen es, uns trotz aller Widerstände durchzusetzen. Und meist sind wir kleine, wuselige Powerfrauen, die, wenn sie irgendwo nicht drankommen, einfach so lange klettern, bis sie das haben, was sie brauchen.
Außerdem führt die geringe Körpergröße auch dazu, dass man leicht unterschätzt wird. Wir haben daher das Überraschungsmoment oft auf unserer Seite.
Also man muss wirklich nicht den Kopf in den Sand stecken, weil man klein ist. Man kann sich ja seine kleine Welt auch ein bisschen so gestalten, wie man sie braucht: Hosen kürzen und Schränke und Regale in der passenden Höhe aufhängen ist gar nicht so aufwendig, und es gibt ja noch kleine Helferlein wie Fußschemel und kleine Trittleitern für Notfälle.
Außerdem gibt es eine Menge nette Menschen, die einem im Supermarkt gerne helfen, an die obersten Regalbretter zu reichen. So etwas kann durchaus auch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden! Man wird auch bei Fotos oder vor Bühnen gerne in die vorderste Reihe vorgelassen.
Nicht zuletzt lässt sich auch trotz Wachstumshormonen nichts daran ändern, dass wir nun einmal klein sind und gehänselt werden. Also warum nicht einfach das beste daraus machen und allen zeigen, was wir drauf haben! Die Welt braucht einfach mehr kleine Dynamitstangen, kleine Wirbelwinde und Giftzwerge statt Gartenzwergen. Starten wir einen Zwergenaufstand! Die Großen werden sich schön umschauen :-)