Die Familienplanung ist wohl das persönlichste und wichtigste Thema im Leben eines Menschen. Dank der modernen Medizin und der Offenheit unserer Gesellschaft ist es auch das individuellste Thema.
Es gibt alle Varianten: Leute, die mit Familie und Kindern überhaupt nichts anfangen können und das auch gar nicht wollen. Leute, die ungewollt kinderlos sind und verzweifelt versuchen, ein Kind zu bekommen. Leute, die ungewollt ein Kind bekommen und nicht wissen, wie sie damit fertig werden sollen. Oder noch schlimmer: Man erwartet ein behindertes Kind und weiß nicht, wie man mit der Situation umgehen soll. Eltern, die verzweifelt versuchen, Kind(er), Beruf und Alltag sowie Finanzen unter einen Hut zu kriegen und es nur knapp schaffen. Es gibt Regenbogen- und Patchwork-Familien, Alleinerziehende und Co-Parenting, und mittlerweile auch wieder häufiger ganz traditionelle Familien.
Außerdem stehen denjenigen, die das Geld dafür haben, jegliche Art von moderner Reproduktionsmedizin zur Verfügung: Künstliche Befruchtung, Samenspende, Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik, Abtreibung und im Ausland auch Eizellspende und Leihmutterschaft.
Noch dazu gibt es Menschen, die all das wahlweise verurteilen oder glorifizieren, aber in jedem Fall kommentieren müssen.
Unterm Strich: Das kann einen, wenn man das entsprechende Alter hat und in der Mühle erstmal drinsteckt, richtig schön wahnsinnig machen, vor allem die Mitmenschen, die dann den Weg, den man mehr oder weniger freiwillig eingeschlagen hat, kommentieren und verurteilen müssen.
Es prallen bei diesem Thema eben Welten aufeinander. Frauen, die unfruchtbar sind und deren Partner sehen jeden Tag Babybäuche, Kinder in jeglichem Alter, Facebook-Anzeigen mit Babyausstattung (verdammt, geheiratet und einmal zuviel nach Kinderwunschkliniken gegoogelt...), Geburtsanzeigen, Artikel über Geburtenraten, Artikel darüber, ob Frauenärzte auf ihrer Homepage offiziell über Abtreibung informieren sollten oder dass Abtreibung Menschenrecht ist oder wie schwer man es als Eltern und ganz besonders als Alleinerziehender hat und dass man bereut, Mutter geworden zu sein...
Wenn man heutzutage, wo man mit alledem überall bombardiert wird, in der Kinderwunsch-Mühle steckt, könnte man ehrlich abwechselnd die Wände hochgehen und Smartphone und PC aus dem Fenster werfen. Das Glück und die Probleme anderer Leute, die man gerne hätte, gibt es heute überall kostenlos zum anschauen.
Nicht nur in dem Medien, in vielen Familien oder im Freundeskreis sieht es ähnlich aus. Ja, man kommt in das Alter, wo alle Gleichaltrigen heiraten und Kinder bekommen, während man selbst noch lebt wie ein Studi. Kontakte schlafen ein. In der Familie kommt oft entweder direkt oder indirekt durch verdruckste Blicke die Frage: "Wann bist du dran?" wenn mal wieder Kusin oder Kusine Mutter bzw. Vater geworden sind. Ja, und dann muss man natürlich, nachdem die eigene Mutter einem einen Vortrag darüber gehalten hat wie gerne sie auch endlich Enkel hätte noch fröhlich den glücklichen, frischgebackenen Eltern grautlieren und ein Babygeschenk, das man selbst besorgen musste, überreichen. Während die frischgebackene Mutter einen anstrahlt und etwas sagt wie: "Du bist als nächster dran". So oder so ähnlich jedenfalls sieht es im schlimmsten Fall aus.
Egal ob man gewollt oder ungewollt kinderlos ist, ob man unfruchtbar ist oder einfach keinen Partner hat, ob man Mann oder Frau ist: Wie soll man das bitte bei geistiger Gesundheit aushalten? Vor allem, wenn man in einer Kinderwunschbehandlung steckt und alle sagen: Na, erwarte jetzt mal bloß nicht, dass das gleich funktioniert. Vor der 12. Schwangerschaftswoche brauchst du dich gar nicht freuen.
Nicht nur Kinderlosen geht es so, auch wenn man ein Kind erwartet und in den Augen Anderer zu jung/zu alt/zu arm/zu eingespannt ist, wird man schnell gesellschaftlich abgeurteilt. Wehe wenn sich das Kind jetzt gerade nicht mit den Anforderungen des Arbeitgebers oder der Familie und des Partners, und natürlich vor allem den eigenen Lebensplänen in Einklang bringen lässt. Jeder weiß, dass solche Situationen Leben zerstören können und Dilemmata a'la lasse-ich-es-abtreiben-oder-darf-es-leben mit sich bringen. Noch schlimmer wird es natürlich, wenn in der Pränataldiagnostik eine Behinderung festgestellt wird. Man hat ohnehin schon Panik, wie man das Leben mit einem behinderten Kind meistern soll und weiß nicht, wie lange es überhaupt überleben wird und dann gibt es Leute, die Dinge sagen wie: "Aber das muss doch heute nicht mehr sein, kannst du es nicht wegmachen lassen..."
Ganz ehrlich: Ja, die moderne und medizingestützte Familienplanung mit all ihren Facetten kann einen in den Wahnsinn treiben. Die Sozialen Medien potenzieren das noch.
Aber die Frage ist doch: Wie weit lassen wir uns in den Wahnsinn treiben?
Die Vorteile von alledem liegen doch klar auf der Hand: Wir hatten nie zuvor so viele Möglichkeiten der Familienplanung und Kinderwunschbehandlung und auch der staatlichen Hilfe für Eltern wie heute.
Also lasst uns durchatmen und entspannen! Das Leben ist selten perfekt, was zählt ist, wie man mit den Hürden, die man zu meistern hat, umgeht und dass man an ihnen wächst. Und lasst uns etwas Verständnis und Solidarität für diejenigen aufbringen, die wirklich schwere Zeiten zum Beispiel wegen eines unerfüllten Kinderwunschs, dem Verlust eines Kindes oder einer ungewollten Schwangerschaft durchmachen mussten.