Ja, auch Herzprobleme sind so etwas, was das Turner-Syndrom mit sich bringt. Sie treten nicht bei jeder von uns auf, sondern nur bei etwas mehr als 50% der Betroffenen, die Diagnose UTS bedeutet also nicht automatisch, dass man mit einem kranken Herzen leben muss. Aber bei jeder Turner-Frau sollte das Herz untersucht werden.
Die schlechte Nachricht hierzu ist, dass unsere Herzfehler normalerweise operativ behandelt werden müssen. Die gute Nachricht ist, dass es sehr gute Chirurgen und sehr gute Behandlungsmethoden gibt, die sehr erfolgversprechend sind. Daher ist die Chance, dass wir trotz Herzfehler ein normales Leben führen können, ziemlich hoch.
Oftmals ist es die Hauptschlagader oder Aorta, die verengt ist. Meist am Aortenbogen ein Stück über dem Herz, medizinisch wird das dann als Aortenisthmusstenose bezeichnet (isthmus ist auf Latein der Bogen und stenose bedeutet Verengung). Es gibt die Vermutung, dass auch genau dieser Herzfehler den Kleinwuchs mitverursacht, da die Blutgefäße, die die Gliedmaßen versorgen, erst nach der engstelle abzweigen. Die unteren Gliedmaßen werden also schlechter durchblutet und sind auch deshalb kleiner.
Klar ist in jedem Fall, dass die Organe, die durch die Blutgefäße hinter der Engstelle versorgt werden sollten, zu schlecht mit Blut versorgt werden. Außerdem steigt dadurch, dass zuwenig Blut abfließen kann, der Druck auf das Herz. Das Herz leidet also auch unter der Verengung und es kann zu einem Rückstau von Blut kommen, da es nicht richtig abgepumpt werden kann.
In vielen Fällen kann man die Aortenistmusstenose zum Beispiel mit einem Stent behandeln, oft wird auch eine End-zu-End Operation gemacht, dabei wir die Engstelle entfernt und die normal weiten Stücke der Aorta vor- und hinter der (entfernten) Engstelle verbunden.
Für Schwangere besonders wichtig: Wenn beim ungeborenen Kind eine Aortenisthmusstenose diagnostiziert wird gibt es ab der 34. Woche eine Therapie, die darin besteht, dass man in mehreren
Sitzungen mehrere Stunden lang Sauerstoff über eine Maske einatmet. Hierdurch kann die Herzentwicklung und das Wachstum des Kindes im Mutterleib gefördert werden. Die Therapie heißt
materno-fetale Hyperoxygenierung und wird wohl mit recht großem Erfolg eingesetzt.
Es gibt auch viele Fälle, in denen andere oder noch mehr Fehler an unseren Herzen vorliegen. Bei mir selbst war auch die Aorta verengt, jedoch war zusätzlich die gesamte linke Herzhälfte verengt und eine Wucherung an der Mitralklappe. Nachdem ich zweimal operiert worden bin, kann ich heute normal Sport machen und bin nicht weiter durch mein Herz eingeschränkt. Klar war Wettkampf- oder Leistungssport keine Option für mich und ich gehe regelmäßig zu Kontrollen zum Kardiologen, aber ansonsten bemerke ich im Alltag kaum, dass ich einen schweren Herzfehler hatte.
Man sollte bei Turner-Syndrom auch darauf achten, ob die Aortenklappe bikuspid ist. Eine bikuspide Aortenklappe hat zwei "Taschen" oder "Segel" statt dreien, wie es normalerweise der Fall ist. Auch dadurch können Probleme (Undichtigkeiten der Klappe, Verengungen) auftreten, die schlimmstenfalls operiert werden müssen, und das Risiko für Aortenaneurysmen ist erhöht. Auch deshalb sind regelmäßige Untersuchungen wichtig.
Alles in Allem sind Herzprobleme immer eine große Belastung für den Betroffenen und seine Familie. Aber glücklicherweise gibt es heutzutage sehr gute Möglichkeiten, das Herz zu behandeln und die Herzfehler bei Turner-Syndrom hindern uns, wenn sie nicht allzu schlim ausgeprägt sind, nicht an einem langen, glücklichen Leben.